Gefesselte Frauen | Fesselspiele mit einem Fremden
Sie hatten sich noch nie gesehen. Und so waren sie füreinander völlig Fremde; obwohl sie beide Dinge voneinander wussten, die nicht einmal ihren engen Freunden bekannt waren; und obwohl es ganz klar der Zweck seines Besuches bei ihr war, dass er sie fesseln sollte. Die gemeinsame Vorliebe für Fesselspiele, für Bondage Erotik, war es, die sie beide zusammengeführt hatte. Schon drei Tage bevor Andreas eintraf, konnte Hanna kaum mehr essen oder schlafen. Mehr als eine Stunde zu früh war sie am Flughafen. Obwohl sie erheblich mehr Zeit als geplant damit verbracht hatte zu duschen, sich zu schminken, sich anzuziehen. Im letzten Moment erschien ihr das enge, kurze, schwarze Kleid, das sie eine Woche zuvor ausgesucht hatte, als viel zu offensichtlich, und so hatte sie stattdessen Jeans und ein T-Shirt gewählt. Nervös rutschte sie auf dem orangefarbenen Plastikstuhl im Wartebereich hin und her. Sie versuchte, in dem Buch zu lesen, das sie mitgebracht hatte. Ohne ein Wort zu verstehen, wanderten ihre Augen über die Buchstaben. Während der letzten zehn Minuten vor Ankunft der Maschine war sie so aufgeregt, dass sie aufstehen und umhergehen musste. Endlich wurde die Landung bekanntgegeben. Kurz darauf tauchten die ersten Passagiere auf. Überall um sie herum fiel man sich in die Arme, begrüßte sich aufgeregt. Dann sah sie ein Gesicht; vertraut irgendwie, denn natürlich hatte sie Bilder von ihm gesehen, aber auch fremd. Eine Fantasie, lebendig geworden, und für einen Moment spürte sie Panik in sich aufsteigen, und den Wunsch davonzulaufen. Aber dann erkannte er sie und lächelte, und Freude stieg in ihr auf wie eine plötzlich übersprudelnde warme Flüssigkeit. Sie musste sich zurückhalten, nicht zu ihm zu laufen, und am Ende rannte sie doch. Die ersten Minuten waren ein wenig gezwungen, angestrengt. Noch am Tag zuvor hatten sie miteinander telefoniert, sich auch über intime Dinge unterhalten. Doch seine Stimme war so anders, ohne die Entfernung und das elektronische Gerät als ein Schutzschild zwischen ihnen, und ihn so unversehens mit allen Sinnen wahrnehmen zu können, überwältigte sie. Sie plauderten ein wenig über seinen Flug, das Wetter, und andere harmlosen Dinge, während sie sich zum Gepäck-Rondell begaben.
Auf einmal sagte er, und er beobachtete sie genau dabei: „Was ich am meisten brauche, hatte ich ohnehin die ganze Zeit bei mir im Handgepäck – meine SM Spielsachen und die Seile.“ Sie errötete. Wie konnte er so selbstverständlich über das sprechen, was sie beide zusammengebracht hatte? Für sie war es in diesem Augenblick weiter weg noch als die Stadt, aus der er gekommen war. „Keine Angst“, ergänzte er, mit einem kleinen Funkeln in den Augen, „ich werde nichts tun, womit du nicht einverstanden bist. Aber ich dachte, es sollte von Anfang an Klarheit darüber herrschen, warum ich hier bin. Du weißt, leider ist meine Zeit mit dir begrenzt.“ Wie ein kleines Kind, das getadelt worden war, schlug sie die Augen nieder und schrak zusammen. Ein kleiner Funke von Rebellion flammte in ihr auf. Es bestand keine Notwendigkeit, dass er sie daran erinnerte, er würde lediglich etwas weniger als vier 24 Stunden bleiben können. Das war auch so schon schlimm genug, ohne dass er das noch betonte. Und was dachte er eigentlich, wer sie war? Nur eine menschliche Puppe, mit der er sich bei bizarren Spielen amüsieren konnte, wenn sich in seinem übervollen Tagesplan eine kleine Lücke auftat? Unbewusst straffte sie sich. Wenn er etwas von ihr wollte, dann würde er sie umwerben müssen. Nur ein paar brutal offene Worte würden nicht genug sein, damit sie sich ihm öffnete und unterwarf. Er hatte ihre Reaktionen sehr sorgfältig beobachtet, und ein Lächeln spielte um seine Lippen. Sie war genauso, wie er sie sich vorgestellt hatte. Er war gut dran, dass er es gewohnt war, seine Gefühle zu verbergen. Anderenfalls hätte sie sofort gemerkt, es machte ihn ganz bestimmt mindestens ebenso viel aus wie ihr, dass er diesmal nur sehr kurz bei ihr bleiben konnte. Er hätte gerne viel mehr Zeit gehabt, um sie wirklich kennen lernen zu können. Aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben. Es würde Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, bis er endlich mehr als einen freien Tag für sie selbst hatte; nicht bevor sein aktuelles Projekt beendet worden war. Nie hätte er es geschafft, solange darauf zu warten, sie zu treffen. Es war ohnehin schon drei Monate her, seit sich ihre Wege im Internet gekreuzt hatten.